WISSEN FÜR DIE PRAXIS Bodenaufbereitung und Nebenangebote Chance und Risiko Wer in Zeiten hohen Wettbewerbdrucks als Tiefbauunternehmer Erfolg haben will, muss sich von der Konkurrenz abheben. Er muss offen sein für tech- nologischen Fortschritt, um wirtschaftlicher arbeiten und wirtschaftlicher anbieten zu können. Innovation ist also das Gebot der Stunde. Innovative Unternehmer müssen aber auch darauf achten, dass sie ihren technologischen Vorsprung auch in Aufträge ummünzen können. Da im Tiefbau der größte Teil aller Aufträge von der öffentlichen Hand in Vergabeverfahren nach den Regeln der VOB/A erteilt wird, muss der Unternehmer sich mit der rechtlichen Frage befassen, wie er alternative und innovative Ausführungsideen in einem solchen Vergabeverfahren zur Geltung bringen kann. (SK) Bekanntlich ist es unzulässig, Verdingungs- unterlagen zu ändern. Die VOB/A sieht jedoch die Möglichkeit vor, sogenannte Nebenangebote abzugeben, welche in den Paragrafen §§ 8 Abs. 2 Nr. 3 und 13 Abs. 3 VOB/A geregelt sind. Ein Nebenangebot liegt vor, wenn Sie die Leistung inhaltlich anders anbieten, als dies in der Leistungsbeschreibung (Anlage zu den Ausschreibungsunterlagen) vorge- sehen ist. Wenn Sie also beispielsweise statt eines in der Ausschreibung vorgese- henen Bodenaustausches eine Bodenver- besserung anbieten wollen, müssen Sie ein Nebenangebot abgeben. Inhalt eines Nebenangebots kann aber auch eine andere Abrechnungs- oder Ver- fahrensweise sein, beispielsweise als BIM- Baustelle. Was ist zu beachten? Zunächst sollten Sie die Ausschrei- bungsunterlagen daraufhin prüfen, ob Nebenangebote ausgeschlossen sind. Wenn die Vergabestelle keine Nebenan- gebote wünscht, muss dies schon in den Ausschreibungsunterlagen klargestellt werden. Werden dort Nebenangebote nicht ausdrücklich ausgeschlossen, sind diese grundsätzlich zulässig (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A). Der Bieter wird auf diese Weise davor bewahrt, sich unnötig Mühe zu machen. Wenn Nebenangebote nicht ausge- schlossen werden, sollten Sie zunächst formale Anforderungen beachten: So müssen nach § 13 Abs. 3 VOB/A Neben- angebote „auf besonderer Anlage“ abge- geben und als Nebenangebote deutlich gekennzeichnet werden. Notwendig ist also ein eigenes, am besten ausdrücklich als Nebenangebot bezeichnetes Schrift- stück mit Ihrer Unterschrift. Darüber hinaus sind Sie als Bieter aufgefordert, bei Leistungen, deren Ausführung nicht in allgemeinen technischen Vertragsbedin- gungen oder in den Vergabeunterlagen geregelt ist, in diesem Nebenangebot entsprechende Abgaben über die Aus- führung und Beschaffenheit der Leistung abzugeben (§ 8 Abs. 2 Nr. 3 VOB/A). Wenn Sie ein Nebenangebot abgeben möchten, tun Sie gut daran, selbiges mög- lichst ausführlich darzustellen. Schließlich müssen Sie die Vergabestelle davon über- zeugen, dass das Nebenangebot nicht nur Preisvorteile bietet, sondern mit der ausgeschriebenen Leistung (zumindest) gleichwertig ist. Je detaillierter Sie dabei argumentieren, desto schwerer machen Sie es den Vergabestellen, die Wertung des Nebenangebots (wegen Mangel an- geblich fehlender Gleichwertigkeit) ab- zulehnen. Erforderlich ist darum eine möglichst genaue Beschreibung der geplanten Vor- gehensweise (textlich, möglicherweise aber auch unter Beifügung von zeichne- rischen Darstellungen oder Fotos) sowie die Beifügung von Nachweisen für die Gleichwertigkeit (Testberichte, Refe- renzen, Zertifikate, etc.). Im nächsten Schritt geht es darum darzustellen, anstelle welcher Positionen des Amts- vorschlags die als Nebenangebot vorge- schlagene Leistung treten soll, gefolgt von einer rechnerischen Darstellung, wie sich das Nebenangebot auf den Gesamt- preis auswirkt. Ein innovativer Bieter, der ein Nebenan- gebot abgeben will, muss sich der damit verbundenen Risiken bewusst sein: Wer die Leistung nämlich anders ausführt als im Amtsvorschlag, schlüpft insoweit in die Rolle des Planers. Während ansonsten das Planungsrisiko grundsätzlich vom Auftraggeber getragen wird (der Unter- nehmer hat später vor der Ausführung nur Prüfungs- und Hinweispflichten zu beachten), trägt der Bieter eines Neben- angebots auch das Planungsrisiko. Wenn die angebotene Leistung nicht „funktio- niert“, weil sie nicht richtig geplant war, haftet er für die sich daraus ergebenden Mängel. An dieser Stelle sollten Sie als Bieter darum ausführlich prüfen (und im Neben- angebot darstellen), auf welchen Grund- lagen Sie Ihr Angebot abgeben. Sie müssen beispielsweise darstellen, von welchen Angaben und Annahmen des Amtsvorschlags (bzw. der dort beige- fügten Bodengutachten etc.) Sie aus- gehen und bei welchen Bodenverhält- nissen die Nebenleistung (hier Bodenver- besserung) „funktioniert“. Nur wenn Sie dies eindeutig definieren, besteht später die Möglichkeit, beim Antreffen anderer Bodenklassen Nachtragsforderungen gem. §§ 2 Abs. 5, 2. Abs. 6 VOB/B geltend zu machen. Dabei sollten Sie insbesondere beachten, dass ggf. das Nebenangebot zusätzliche Feststellungen zu den Bodenverhältnissen erfordert, die für den Hauptvorschlag gar nicht notwendig gewesen wären. Sollte laut Amtsvorschlag also beispielsweise ein Tal mit einer frei gespannten Brücke (ohne Pfeiler) überquert werden, so sind für diesen Amtsvorschlag die Bodenverhält- nisse in der Mitte des Tales ohne Belang. Wenn Sie sich aber in einem solchen Fall dafür entscheiden, im Rahmen eines Nebenangebots anzubieten, die Brücke mit Pfeilern in der Talmitte zu errichten, müssen Sie natürlich auch definieren, von welchen Bodenverhältnissen Sie für Ihren Vorschlag ausgehen. Die Abgabe von Nebenangeboten setzt aus diesem Grund besondere Sorgfalt voraus. Bei Beachtung dieser Sorgfalt stellt die Abgabe von Nebenangeboten für innovative Unternehmer aber die große Chance dar, sich vom Preisdruck eines hart umkämpften Marktes zu lösen und eigene Markt- nischen zu schaf- fen, in denen sich auskömmlich arbeiten lässt. Fachautor: Dr. Sigurd König Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Kanzlei Dr. König & Kollegen, Reutlingen www.MTS-online.de Seite 7